Als Teil einer Koalition europäischer Gesundheitsorganisationen haben wir uns heute mit einem gemeinsamen Positionspapier an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Landwirtschaftsausschuss gewandt, um unsere konkreten Bedenken bezüglich des vorgeschlagenen Weinpakets zum Ausdruck zu bringen. In dem Papier werden die Auswirkungen des Vorschlags auf die Gesundheit, die Ressourcennutzung und die Transparenz der EU-Alkoholpolitik dargelegt.
Die Unterzeichner*innen vertreten nationale und europäische Organisationen aus 15 Mitgliedstaaten. Gemeinsam sprechen wir für Millionen von EU-Bürger*innen und Fachleuten, die sich für Gesundheitsförderung, Prävention und Patientenvertretung engagieren.
Das Papier befasst sich mit folgenden Punkten des Weinpakets:
- Risiko einer Verstärkung der Alkoholüberproduktion durch wiederholte Subventionen,
- Fehlen von Gesundheitsfolgenabschätzungen,
- Vorschlag, die Kennzeichnung alkoholischer Getränke ausschließlich in digitaler Form zuzulassen.
Gemeinsames Positionspapier zum Entwurf des Weinpakets der Europäischen Kommission
Einführung
Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Überarbeitung der EU-Weinmarktvorschriften befasst sich mit strukturellen Herausforderungen wie rückläufigem Konsum, Überangebot und Klimawandel. Der Vorschlag enthält zwar Elemente, die zur öffentlichen Gesundheit und Nachhaltigkeit beitragen könnten, beispielsweise die Entwicklung von alkoholarmen und alkoholfreien Weinen, doch geben mehrere wichtige Aspekte Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit und die Haushaltsdisziplin. In diesem Positionspapier legen wir daher unsere Analyse und Empfehlungen zu fünf zentralen Themen des Vorschlags dar.
1. Produktionsmanagement und Überangebot
Wir begrüßen, dass die Kommission die strukturelle Überproduktion anerkennt und den Mitgliedstaaten Flexibilität einräumt, um Neuanpflanzungsgenehmigungen in Regionen mit Überangebot zu beschränken. Wir betonen jedoch, dass die Ursache für die chronische Überproduktion in Anreizstrukturen liegt, die Menge über Nachfrage stellen. Öffentliche Mittel sollten Nachhaltigkeit und Diversifizierung fördern, anstatt ein untragbares Niveau der Weinproduktion aufrechtzuerhalten. Anreize für Produzent*innen, aus dem Sektor auszusteigen oder auf alternative Kulturen umzusteigen, sind ein notwendiger Schritt und sollten Vorrang vor Subventionen haben, die eine anhaltende Überproduktion fördern.
2. Fehlen einer umfassenden Bewertung der Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit
Das Reformpaket berücksichtigt die Auswirkungen der verstärkten Unterstützung des Weinsektors auf die öffentliche Gesundheit nicht ausreichend. Alkoholkonsum ist ein Risikofaktor für Krebs, Lebererkrankungen und andere Gesundheitsprobleme. Die EU-Politik sollte eine Gesundheitsfolgenabschätzung einbeziehen, um die Übereinstimmung mit dem EU-Aktionsplan zur Krebsbekämpfung und anderen Gesundheitsstrategien sicherzustellen.
3. Missbrauch öffentlicher Mittel zur Aufrechterhaltung der Überproduktion
Maßnahmen wie grüne Ernte (Ernte von Pflanzen, die noch nicht reif sind), Rodung (Entfernung von Pflanzen) und Krisendestillation (Destillation von überschüssigem Wein zu Industriealkohol) können bei wiederholter Anwendung kostspielig und ineffizient werden. Ein markantes Beispiel ist die Destillation von überschüssigem Wein zu Industriealkohol – eine Option, die deutlich teurer ist als die Verwendung alternativer Rohstoffe. In solchen Fällen kann der Weinsektor in mehreren Phasen öffentliche Mittel erhalten (für die Erzeugung des Überschusses, für die Umwandlung in Alkohol und möglicherweise beim Verkauf des Endprodukts, beispielsweise Handdesinfektionsmittel, an öffentliche Einrichtungen). Dadurch entsteht ein Kreislauf, in dem Überproduktion effektiv subventioniert wird und Steuergelder mehrfach zur Stützung von Ineffizienzen verwendet werden.
4. Marketing und Exportförderung
Wir stehen der Fortsetzung und Ausweitung der EU-finanzierten Alkoholwerbung kritisch gegenüber. Der Weinindustrie zu erlauben, öffentliche Mittel zur Förderung des Konsums einzusetzen, insbesondere vor dem Hintergrund sinkender Nachfrage und steigender alkoholbedingter Schäden, steht im Widerspruch zu den Verpflichtungen der EU im Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung und zur SAFER-Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese Mittel könnten besser für die Förderung von Innovation, Gesundheitsaufklärung oder nachhaltiger Landwirtschaft eingesetzt werden.
5. Kennzeichnung und Verbraucherinformationen
Wir sind besorgt über den Vorschlag der EU-Kommission, der digitalen Kennzeichnung Vorrang vor den Angaben auf der Flasche einzuräumen. QR-Codes können zwar die Produktkennzeichnung ergänzen, dürfen jedoch wesentliche Angaben auf dem Etikett nicht ersetzen. Verbraucher*innen haben das Recht auf leicht zugängliche, transparente Informationen – unabhängig vom digitalen Zugang. Die obligatorische Angabe von Inhaltsstoffen, Nährwerten und Herstellungsverfahren auf dem Etikett ist für eine informierte Entscheidung und die Förderung der öffentlichen Gesundheit von entscheidender Bedeutung.
Unterzeichner*innen
Skandalöser Zuschuss: Aufdeckung des Wein-Paradoxons der EU
Das neue »Weinpaket« der Europäischen Kommission ist ein beunruhigendes Paradoxon: Während das öffentliche Bewusstsein für die Gefahren des Alkoholkonsums wächst und der Konsum sinkt, verdoppelt Brüssel die Subventionen für eine angeschlagene, gesundheitsschädliche Industrie. Statt die öffentliche Gesundheit zu schützen, schlägt die Kommission unter anderem QR-Codes statt echter Warnhinweise vor und bietet den Verbraucher*innen Illusionen statt Informationen. Hinter diesem neuen Vorschlag steht der mächtige Einfluss der Weinindustrie, deren Lobbyarbeit die EU-Institutionen dazu gebracht hat, privaten Profit über das öffentliche Interesse zu stellen. Dieser Vorschlag wirft grundlegende Fragen über das Engagement der EU für Fairness, Gesundheit und ihre eigenen Grundwerte auf, schreiben Rebecka, Otto und Emil.
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Doppelmoral in Brüssel: Wie die EU die Bürger*innen bei der Kennzeichnung von Alkoholprodukten hinters Licht führt
Die European Alcohol Policy Alliance (Eurocare) äußert ernsthafte Bedenken hinsichtlich der kürzlich vorgeschlagenen EU-Maßnahmen zur Kennzeichnung von Wein, insbesondere derjenigen, die alkoholfreie und alkoholarme Weine betreffen. Diese Vorschläge, die in dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Entwurf des »Weinpakets« enthalten sind und derzeit im Europäischen Parlament und im Rat der EU diskutiert werden, könnten in direktem Widerspruch zur Lebensmittel-Informationsverordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) stehen.