Das Oktoberfest in München hatte Halbzeit – und es war Zeit für die ersten Bilanzen. Der Umsatz stimmte, die Preise wurden gezahlt, es kamen genügend ausländische Touristen, die sich dann auch noch in bayrische Tracht gekleidet haben. Selbst wenn wir wissen, dass Brauchtumsfeste in erster Linie dazu da sind, »gute« Gründe für den übermäßigen Alkoholkonsum zu liefern, so überrascht immer wieder, wie selektiv in den Medien darüber berichtet wird. Beispiel am 1. Oktober 2012 in der Bielefelder Zeitung »Neue Westfälische«:

»445 junge Oktoberfestbesucher unter 30 Jahren haben in diesem Jahr in der ersten Wiesn-Woche ihre Kondition über- und die Wirkung des Festbieres unterschätzt. Damit stieg die Zahl der Alkoholopfer mit Vollrausch gegenüber dem Vorjahr um fast 20 Prozent.« Gerne hätte man gewusst, wieviele der älteren Besucher des Festplatzes einen Vollrausch hatten. Oder ist das »normal« und keine Meldung wert?

Fakt ist doch: Egal wo öffentlich gefeiert wird, es geht immer darum, mehr Stände, Zelte, Tische und Stühle aufzubauen, damit mehr Alkohol getrunken werden kann. Schon das zweite Stadtfest wird zur Tradition hochstilisiert, damit im nächsten Jahr wieder genügend Getränke zusätzlich verkauft werden können. Gibt es denn einen besseren Grund als die Möglichkeit zur Begegnung zu schaffen, bei der die Stände, an denen das jeweilige »Festgetgränk« verkauft wird, ständig umlagert sind? Alle anderen Darbietungen, seien es Kinderspiele oder Musikbühnen, sind für die Veranstalter notwendiges Übel, um Teilnehmer zu locken.

Schauen Sie einmal genauer hin, was an diesen Festen passiert: Die Menschen, die sowieso einen zu hohen Alkoholkonsum haben, erhalten ein Alibi, um noch mehr zu trinken. Sie sind es, die bis zum Schluss aushalten, und dann beobachten Sie einmal ganz genau, wie Frauen und Kinder versuchen, den betrunkenen Vater nach Hause zu bugsieren. Alles im Sinne der Tradition, weil es schon immer so war?

»alkoholpolitik.de« wird sich in der nächsten Zeit diesen Festen genauer widmen und fragen, ob und wie die Jugendschutzbestimmungen eingehalten werden.