Gesichtsloser Geschäftsmann im dunklen Anzug hinter Rauchwolke. Darin eingeblendet die Titelseite des Tabaklobby-Indexes 2023.

Deutschland ist unzureichend gegen den Einfluss der Tabakindustrie auf gesundheitspolitische Entscheidungen geschützt. Das zeigt der dritte Index zur Einflussnahme der Tabakindustrie in Deutschland, den das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) am 14. November veröffentlicht hat.

Mehr als 20 weitere Gesundheits- und zivilgesellschaftliche Organisationen beteiligen sich am Tabaklobbyindex. Die Werte für Deutschland haben sich im Vergleich zu den Vorjahren weiter verschlechtert – von 63 negativen Punkten im Jahr 2020 über 68 Punkte im Jahr 2021 auf 70 Punkte in diesem Jahr. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland nun auf Platz 67 von 90 untersuchten Staaten.

Titelseite des Tabaklobby-Indexes Deutschland 2023.

Nach wie vor sterben in Deutschland jährlich etwa 127.000 Menschen an den Folgen der süchtig und krank machenden, oft tödlichen Produkte und Praktiken der Tabakindustrie. Entscheidende Bereiche wie Tabakbesteuerung, Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring sowie die Verfügbarkeit von Tabakprodukten sind nach wie vor unzureichend geregelt.

Die Regierung zeigt keine Bereitschaft, eine wirksame Firewall gegen den Einfluss der Tabakindustrie zu errichten …«
Die Regierung zeigt keine Bereitschaft, eine wirksame Firewall gegen den Einfluss der Tabakindustrie zu errichten und damit die Bevölkerung vor den gesundheitsschädlichen Produkten und Praktiken der Tabakindustrie zu schützen«, kommentiert Laura Graen, federführende Autorin des Tabaklobby-Index und Mitarbeiterin der Stabsstelle Krebsprävention am DKFZ.

Dies widerspricht internationalen Vereinbarungen, denn Deutschland hat bereits 2004 das Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (WHO FCTC) ratifiziert, das dazu verpflichtet, gesundheitspolitische Entscheidungen vor dem Einfluss der Tabakindustrie zu schützen (Artikel 5.3 des Abkommens).

Auf 40 Seiten zeigt der Tabaklobby-Index, in welcher Form und in welchem Umfang die Tabakindustrie Einfluss auf politische Entscheidungsträger*innen in Deutschland nimmt. Die Zielgruppen dieser Einflussnahme reichen von der Referatsebene bis zum Bundespräsidenten. Mindestens 90 Lobbyist*innen und ein Budget von mehr als sechs Millionen Euro pro Jahr ermöglichen es der finanzstarken Tabakindustrie, sich in die Politikgestaltung einzumischen und ihre Interessen zu verfolgen.

Es gibt keinen Verhaltenskodex, der Staatsbediensteten Standards für den Umgang mit der Tabakindustrie vorgibt. Kontakte mit der Tabakindustrie sind weitgehend intransparent, und das Sponsoring politischer Parteien und öffentlicher Einrichtungen durch die Tabakindustrie ist nach wie vor zulässig.

Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung eine umfassende nationale Tabakkontrollstrategie mit dem Ziel eines rauchfreien Deutschlands im Jahr 2040 verabschiedet. Ein Konzept für ein Maßnahmenpaket liegt bereits vor. Eine Arbeitsgruppe von Expert*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft hat im Jahr 2021 die Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040 entwickelt, die von mehr als 50 Organisationen aus dem Gesundheitsbereich und der Zivilgesellschaft unterstützt wird.

Wir brauchen Nahrung, keinen Tabak

Traurig blickender Junge hält eine Schale mit qualmenden Zigaretten vor seiner Brust.© WHO

Die weltweite Nahrungsmittelkrise wird durch Konflikte, den Klimawandel, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine verschärft, die zu steigenden Preisen für Lebensmittel, Brennstoffe und Düngemittel führen. Der Tabakanbau und die Tabakproduktion führen zu langfristigen, globalen ökologischen Schäden und zum Klimawandel und spielen eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Zukunft der Landwirtschaft und der Ernährungssicherheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kündigte am 7. November die globale Kampagne zum Weltnichtrauchertag 2023 an, die sich auf den Anbau nachhaltiger Nahrungsmittelpflanzen anstelle von Tabak konzentriert.

Quelle: Pressemitteilung des dkfz