Der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie (BSI) führte auch in diesem Jahr zum Auftakt seines »Spirituosen-Forums« in der letzten Woche einen »Politischen Gästeabend« in Berlin durch. Wie der BSI in seiner Pressemitteilung berichtete, nahmen mehr als 210 Gäste aus der Politik, den Bundesministerien, der Wirtschaft, der Wissenschaft, den Verbänden und den Medien teil. Allerdings schien die Teilnahme am Gästeabend so etwas wie eine »geheime Kommandosache« zu sein, denn zumindest von den namentlich genannten Gästen hat niemand diesen Termin bzw. die Teilnahme an diesem Termin öffentlich gemacht. Ein kleines bisschen Unwohlsein?

Eigentlich ist es ein ganz normaler Termin in Berlin: Die Branche trifft sich und man nimmt dies zum Anlass, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren und – wenn es eben geht – sich öffentlich loben zu lassen. Darum ist es für einen Veranstalter ganz wichtig, möglichst maßgebliche Politiker zu den Gästen zählen zu können, die möglichst lobende Worte finden, die sich dann aktuell in Pressemeldungen und später im Geschäftsbericht gut lesen lassen. Und als Gast hat man die Pflicht – man will ja nicht unhöflich sein – zu loben. Natürlich in erster Linie den Gastgeber, aber ein bisschen auch sich selbst.

Das passiert in Berlin während der Sitzungswochen jeden Tag mehrfach, und häufig haben wir weder eine Ahnung von der Branche noch von dem, was dort gesprochen wird. Bei der Spirituosen-Industrie ist das etwas anders. Die Mitglieder der Sucht-Selbsthilfeverbände »kennen« aus ihrer persönlichen Erfahrung alles, was mit alkoholischen Getränken zu tun hat. Den Verbänden der Suchtkrankenhilfe geht es vor allen Dingen darum, die alkoholbedingten Risiken und Schäden in der Gesellschaft zu reduzieren. Die Kranken- und Rentenversicherungen haben dafür zu sorgen, dass Menschen mit alkoholbezogenen Störungen und Schäden adäquat versorgt und behandelt werden. Diese Verbände und viele andere, die auf die eine oder andere Art und Weise betroffen sind, wundern sich dann schon, wenn all das ausgeklammert wird, was ihre Anliegen sind.

Und sie wundern sich, wenn der Parlamentarische Staatssekretär Peter Bleser (CDU) – der seinen Wahlkreis dazu in der Region Mosel/Rhein-Hunsrück hat – in der Spirituosen-Industrie einen wichtigen Wirtschaftsfaktor sieht. Bei der Gelegenheit erfährt der geneigte Leser, dass das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz jetzt mit einem Bundesehrenpreis für Spirituosen ein sinnvolles Instrument geschaffen habe, um den Verbrauchern eine »wertvolle Orientierungshilfe« zu geben. Aber es kommt noch besser. Bleser weist darauf hin, dass durch die Spirituosenherstellung dem Bund jährliche Branntweinsteuer-Einnahmen zufließen. Bis zum 9. 11., als der Staatssekretär diese Weisheit von sich gab, wurde die Branntweinsteuer von den Konsumenten bezahlt.

Besonders verwunderlich ist der Auftritt der Bundesdrogenbeauftragten Mechthild Dyckmans (FDP) auf dieser Veranstaltung. Ist sie doch von Hause aus auch für die durch übermäßigen Alkoholkonsum verursachten Schäden zuständig. Hier muss es ihr Anliegen sein, den Konsum alkoholischer Getränke massiv zu reduzieren. Aber darüber spricht Frau Dyckmans nicht, man ist ja schließlich zu Gast. Sie lobt ausgerechnet die Präventionsbemühungen der Spirituosen-Industrie. Wörtlich: »Die von dem Arbeitskreis (Alkohol und Verantwortung) unter Mitwirkung unabhängiger Wissenschaftler entwickelten Präventionskampagnen tragen mit dazu bei, über die schädlichen Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs zu informieren und auf einen maßvollen Konsum hinzuwirken. Die Aktivitäten des Verbandes im Bereich Alkoholprävention sind wirklich beispielhaft.«

Da stellen sich eine Reihe von Fragen: Sagt der HTA-Bericht des DIMDI, eines Instituts im Geschäftsbereich des Gesundheitsministeriums, nicht ausdrücklich, dass diese Art der Prävention wenig erfolgreich sei? Und ab wie viel Elternabenden handelt es sich um eine Kampagne? Und ist denn ein Verband, der Spirituosen herstellt und vertreibt, der geeignete Absender? Frau Dyckmans hätte es einfacher haben können: Einen solchen Termin muss man nicht wahrnehmen.

Denn die FDP war ja noch einmal vertreten. Der Sprecher der Fraktion für Verbraucherschutz, Prof. Dr. Erik Schweickert, war ebenfalls noch anwesend. Sein Internetauftritt hat auch eine – nicht sehr inhaltsreiche – Seite zum »Gesundheitlichen Verbraucherschutz«. Das hindert ihn aber nicht, alte Floskeln zu wiederholen wie die, »dass die Liberalen dieser Verbots- und Bevormundungskultur immer wieder klar und deutlich entgegen treten werden«. Was bedeutet das? Keine Grenzen für Kinder und Jugendliche? Keine Promille-Grenzen im Straßenverkehr? Für erwachsene Menschen gibt es in Deutschland im Zusammenhang mit der Erhältlichkeit alkoholischer Getränken keinerlei Grenzen und Einschränkungen.

Doch es waren nicht nur die Regierungsfraktionen vertreten. Auch Ulrich Kelber (SPD) ließ es sich nicht nehmen, in das Lob alkoholischer Getränke »in richtigem Maß« einzustimmen. Allerdings ließ er leise Kritik einfließen: »Er appellierte, den Missbrauch noch wirksamer durch weitere Aufklärung und Information, aber auch durch Verzicht auf ungeprüfte werbliche Maßnahmen anzugehen.«

Alles in allem eine ganz normale Lobby-Veranstaltung. Warten wir ab, welche überraschenden Erkenntnisse beim Weinbau-Verband oder beim Brauer-Bund auf uns warten.

Rolf Hüllinghorst